Der erste Schritt besteht darin, sich der eigenen Ängste, wie Wut und Neid, bewusst zu werden. Sie meinen vielleicht, dass Sie sich momentan all dieser Ängste bewusst sind, aber blicken Sie tiefer: Hinter dem Zorn liegt zum Beispiel körperlicher Schmerz. Es ist leichter, auf jemand anderen oder sich selbst oder auf das Universum wütend zu sein, als den Schmerz zu spüren. Dieser Schmerz ist eine unmittelbare, ungefilterte Erfahrung der Angst. Es genügt nicht, einfach zu erkennen, wann wir wütend sind. Wir müssen zur Wurzel der Emotion vordringen, die ein Teil unserer Persönlichkeit ist, über den wir nichts wissen oder den wir aus Furcht oder Scham nicht anerkennen.
Sind wir erst einmal mit einem Gefühl als körperliche Empfindung vertraut, brauchen wir es nicht mehr "Zorn", "Neid" oder "Angst" zu nennen. Wir erkennen, wie unser Körper sich fühlt, wenn das Gefühl aufsteigt, und welche Gedanken unseren Geist erfüllen. Dann sind wir in der Lage, es als alten Bekannten zu sehen, mit dem wir eine Meinungsverschiedenheit haben. Die Meinungsverschiedenheit ist folgende: Wir wollen uns nicht so fühlen, wie es sich anfühlt. Und hier kommt die Auseinandersetzung mit den verängstigenden Teilen Ihrer Persönlichkeit ins Spiel.
Etwas dagegen zu tun, dass ein Teil unserer Persönlichkeit angsterfüllt ist, ist keine Kriegserklärung. Es ist eine klare Absichtserklärung. "Ich gehe gegen diese Erfahrung an. Ich will es nicht in meinem Energiesystem haben", ist ein Beispiel. Dagegen anzugehen, dass ein Teil unserer Persönlichkeit Angst hat, ist die Entscheidung, unseren freien Willen einzusetzen, um einen Aspekt unserer Selbst zu ändern - wir wollen nicht mehr, dass dieser Aspekt weiterhin Erfahrungen in unserem Leben hervorruft. Es bedeutet, zu erkennen, dass wir mit unserem Zorn - oder unserer Furcht oder unserem Neid - sterben werden, wenn wir nichts dagegen tun.
Älter zu werden heißt nicht automatisch, dass wir sanftmütiger oder weiser werden. Millionen Menschen sterben zornig, angsterfüllt und neidisch. Wenn wir uns nicht ändern, werden wir einer von ihnen. Niemand kann uns ändern außer wir selbst.
Wir gehen gegen einen angstvollen Teil unserer Persönlichkeit an, indem wir beschließen, uns nicht so zu verhalten wie normalerweise in der Vergangenheit, wenn dieser Teil unserer Persönlichkeit aktiv wurde. Wenn wir beispielsweise merken, dass wir ungeduldig sind, können wir beschließen, damit aufzuhören und die Bedürfnisse unseres Gegenübers statt unserer eigenen Bedürfnisse zu sehen. Wenn wir in Zorn geraten, können wir uns dafür entscheiden, nicht zu schreien, oder uns nicht emotional zurückzuziehen, wenn wir es sonst tun. Wenn wir das Bedürfnis verspüren, Ja zu sagen, um zu gefallen, können wir stattdessen Nein sagen, wenn wir eigentlich Nein sagen wollen.
Ganz gleich, wie Sie es tun: Das Herz spirituellen Wachstums besteht darin, angstvolle Teile Ihrer Persönlichkeit, die Sie ändern wollen, zu erkennen und dagegen anzugehen und liebevolle Teile Ihrer Persönlichkeit, die Sie stärken wollen, zu erkennen und zu kultivieren. Sie können nicht gleichzeitig ein spirituell entwickelter Mensch und ein emotional unentwickelter Mensch sein.

Aus: Von Seele zu Seele von Gary Zukav