Licht bzw. elektromagnetische Signale spielen bei allen unseren Sinneswahrnehmungen die zentrale vermittelnde Rolle. Das ist zunächst nicht einleuchtend, da nur die Augen Licht aufzunehmen scheinen. Die eigentliche Wahrnehmung passiert aber bei allen Sinnen erst im Gehirn und entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel feuernder Neuronen. Die Wahrnehmung von Sinnesreizen im Gehirn geschieht dadurch, dass zahlreiche Gehirnzellen "aufleuchten", das "Gehirngewitter". Wir sehen die Umgebung nicht direkt, sondern sie wird im Sehzentrum des Gehirns rekonstruiert. Die elektromagnetischen Wellen einer Lichtquelle treffen auf Materie, werden reflektiert und erreichen das Auge. In den Sehzellen befinden sich Moleküle, die wie abgestimmte Antennen wirken. Es kommt zu eine resonanten Kraftübertragung, die entsprechende Nervenimpule auslösen. Auf der Netzhaus wird zunächst ein auf dem Kopf stehendes Bild erzeugt. Die Lichtreize werden von den Rezeptorzellen der Netzhaus (den Stäbchen und den Zapfen) registriert und über einen Teil des Zwischenhirns und die Sehbahnen zum visuellen Cortex geleitet. Pro Sekunde werden so etwa zehn Millionen Informationseinheiten übertragen und vom Gehirn zu einem Bild zusammengesetzt. In Wirklichkeit ist der Prozess noch komplexer, da chemische Substanzen zerlegt und wieder zusammengesetzt werden müssen und das Gehirn für die Rekonstruktion auch frühere Bilder aus der Erinnerung heranzieht. Wir sehen also definitiv nicht das Original, sondern eine völlig neu konstruierte und mit früheren Erfahrungen abgeglichene Version. Es ist ähnlich wie beim Fernsehen: Was wir auf dem Bildschirm sehen, befindet sich ja auch nicht real im Gehäuse, sondern ist ein Bild, das das Gerät aus elektromagnetischen Wellen rekonstruiert.

Edwin & Caroline Zimmerli