Einige unter Ihnen finden Gleichgewicht langweilig. Ein bestimmtes Maß an Unausgewogenheit ist Ihnen lieber, denn so können sie Dramatik und intensive Emotionen erleben. Sie sind sicherlich schon Menschen begegnet, deren Leben ständig in Aufruhr ist, die von einer Krise in andere schlittern. Ihre Vorstellung von Gleichgewicht besteht im Hin- und Herpendeln zwischen Extremen. Für andere bedeutet der Gedanke an Ausgewogenheit und Stabilität emotionelle Leere, etwas, das furchterregend zu sein scheint. Sobald man höhere Realitätsebenen erreicht, werden die Emotionen sehr ruhig. Sie ähneln dann einem glatten See, der jede Wolke und jeden Baum widerspiegelt. Allerdings fürchten sich viele Menschen davor, keine Gefühle zu haben. Sie werden deshalb alles Mögliche tun, nur um Aufmerksamkeit zu erhalten. Oft verursachen sie Ärger und Schwierigkeiten, weil sie Angst haben, dass man sie, wenn alles ruhig verläuft, nicht mehr beachtet. Besser negative Aufmerksamkeit als gar keine! Manche von Ihnen benötigen intensive Emotionen, um zu spüren, dass sie am Leben sind. Aber intensive, dramatische Emotionen werfen Sie immer aus Ihrer Mitte. Einige von Ihnen meinen sogar, sie seien traurig oder deprimiert, wenn sie sich sehr friedlich fühlen und keine starken Emotionen verspüren. Fragen Sie sich, ob etwas nicht stimmt, sobald Sie sich einmal ruhig fühlen? Sind sie süchtig nach starken, intensiven Gefühlen? Fühlen Sie sich wohl, wenn alles friedlich und ruhig ist, oder machen Sie sich darüber Sorgen, welches Unglück als nächstes auf Sie zukommt? Man braucht Geduld, um sich an das Ruhig-Sein zu gewöhnen. Obwohl Sie vielleicht glauben, es sei einfach, ist es für die meisten Menschen schwerer, sich an eine friedliche Umgebung als an eine destruktive zu gewöhnen. Ist die Umgebung zu ruhig, werden viele Leute Unruhe verursachen, weil sie an Unruhe gewöhnt sind.
(Aus: Sich dem Leben öffnen von Sanaya Roman)